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Komm, lass uns Sisyphus befreien

Erster Übergabebrocken: Der „Boss“ in uns
Du wolltest dich nicht länger von Gott als deinem Lebewesen träumen lassen. Du fühltest dich als absolut freies Gottwesen nicht frei genug. Du wolltest selbst der Boss sein, selbst der Träumer sein. Im „Boss-sein-wollen“ begannst du auf eigene (karmische) Rechnung zu handeln. So ist aus dem „Boss“ das „Böse“ in uns entstanden, indem wir uns als Lebewesen Gottes vom Lebewesen Gottes in uns getrennt haben.

Zweiter Übergabebrocken: Das „Böse“ in uns
Durch diese Dummheit, durch diese Trennung und Abspaltung, haben wir den Indus, den Fluss der Schöpfung, verlassen. Wir sind böse geworden. Wir haben uns an einer Uferböschung verfangen, sind dort aus dem mächtigen Fluss herausgetreten, und begannen aus unserer „Ang-st„ heraus, den Fluss zu „ver-äng-en“, damit wir ihn besser kontrollieren können. In der Folge bildeten sich die ersten „Dämme“ und „Däm-onen“, und es folgte die eigene „Ver-dammung“. Seither handeln und verhalten wir uns auch zunehmend „däm-lich“. Diese Dämme erzeugen mehr und mehr Schatten und Dunkelheit, indem sie den Lichtfluss des Lebens behindern und aufstauen bzw. ganz zum Stehen bringen.

Dritter Übergabebrocken: Das „Busy“ in uns
Die Dämme der Bosheit und ihr Schattenwurf haben unsere Getrenntheit noch verstärkt. Wir fühlen uns dahinter immer einsamer und verlorener. Es ist in uns zum Verlust des Urvertrauens gekommen, und in der Folge davon zum Verlust von Ruhe und Gelassenheit. Lebens- und Existenzängste nehmen zu. Wir empfinden das Leben zunehmend als bedrückend und bedrohlich. Dieser unterschwelligen Bedrohungserwartung begegnen wir mit sympathikotoner Geschäftigkeit, die uns zur Spezies des „Homo busy“ macht. Da wir uns durch den Verlust der Quellverbindung immer weniger versorgt fühlen, müssen wir hart arbeiten und schuften – wir müssen also ganz schön „busy“ sein –, um uns noch einigermaßen genährt zu wissen.

Vierter Übergabebrocken: Das „Bissige“ in uns
Aus dem „Busy-Sein“ tritt nun immer mehr auch unsere „bissige“ Natur hervor. Wir sind jetzt mitten im Überlebenskampf bzw. Konkurrenzkampf angekommen. Wir fühlen uns allein statt „all-ein“. Das Schlachtfeld des Überlebens wird von einer tiefen Todesangst bestimmt, da wir unser unsterbliches, ewiges Gottwesen, das wir in Wirklichkeit als unser Liebewesen in uns sind, gänzlich vergessen haben. Jetzt geht es nur noch darum, wer im Verteilungskampf die meisten Ressourcen an sich ziehen kann, um sich gegenüber den anderen „Sterblichen“ einen Überlebensvorteil zu sichern. Dieser vampirische Kampf, diese „America-first-Mentalität“, zieht natürlich unweigerlich Verletzungen und Wunden nach sich.

Fünfter Übergabebrocken: Die „Buße“ in uns
Unsere Handlungen haben uns verletzt und ermüdet. Im Belastungsausbruch, im Zusammenbruch bzw. in der Sinnkrise und sisyphuistischen Erschöpfung unserer Lebenskraft, also ganz von Schwäche und Krankheit gezeichnet, bietet sich uns die Möglichkeit, wieder die Stimme unseres inneren Wesens zu vernehmen und Besserung zu erfahren. Da unser Busy-Wesen ermüdet ist, fehlt uns nun die Kraft, weiterhin den Boss zu spielen und Staudämme zu unterhalten. Die Dämme und „Däm-onen“ beginnen zu bröckeln und zu brechen und werden in der Folge lichtdurchlässiger. Gott, der wir in unserem Inneren als unser Lebe- und Liebewesen selbst sind, wird wieder zur orientierenden und heilenden Fließkraft unseres Lebensstromes. Wir erfahren wieder den „heiligen Kuss“ Gottes.

Im Hineinsterben, im sich entgiftenden und reinigenden Übergeben in diese heilige Kraft in uns, erwachen wir zunehmend zum liebenden Wesen Gottes. Wir haben die „Brocken des Sisyphus“ dem Gotte in uns übergeben. Sisy­phus ist endlich „übern Berg“.

Der „Homo bussi“ erwacht
Nun hat sich der Mensch vom „Homo busy“ zum „Homo bussi“ gewandelt, dem bedingungslos liebenden Menschensohn. Der Mensch erwacht in seinem Krishna- bzw. Christusbewusstsein, das er in seinem innersten, „christ-all-enen“ Kern immer war und ist. Im „Homo bussi“ ist er nun ganz zum küssenden, sprich, liebenden Menschen, zum Narayana, herangereift, der im heiligen Kuss zu einem Guss mit seinem atmischen Gottwesen verschmilzt.

Am Mutterbusen der ewigen Fülle kann der Mensch nun unendlich zur Ruhe kommen. Im Stillegesang der heiligen Gegenwart darf er liebend ein Wonnebad im heiligen Milchozean nehmen und seinen Samadhi erleben. Dieses Bad erquickt und nährt ihn und erfüllt ihn mit lebendiger Quirligkeit.

Und dies ist es, was schlußendlich beim lebendigen Quirlen des Milchozeans in unserem Wesen zur „Butter“, zur „Budder“, zum „Buddha“ wird: „Waffen schneiden es nicht, Feuer verbrennt es nicht, Wasser benetzt es nicht, und der Wind trocknet es nicht. Es wurde nie geboren und stirbt auch niemals.“ Was ist das? DAS bist du – Tat Tvam Asi.

So wandelt der Geist des Yoga den Menschen vom „Unter-nehmer“ zum „Über-geber“ und ermächtigt ihn, dieses Bewusstsein in die Welt zu schöpfen.

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