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Religion, Gefühle und deren Verletzung dienen manchen Menschen gerne als Treibstoff für Wut, Rache und Hass. Wie kommt es dazu, dass sich verletzte religiöse Gefühle so leicht als Rechtfertigung für düstere Taten verwenden lassen? Und warum scheinen ausgerechnet religiöse Gefühle so dünnhäutig, schutzlos, angreifbar und zerbrechlich zu sein? Müssten sie nicht im Gegenteil vor Stärke nur so strotzen?

Auch Yoga ist von zutiefst religiösen Strömungen geprägt: Religiös im Sprachsinne von lateinisch „religare“ = „anbinden, zurückbinden“ oder sanskrit „yoga“ = „verbinden, anjochen“. Im Feld des Yoga unternehmen wir Anstrengungen, uns mit einem höheren Bewusstseinsfeld zu verbinden und damit in innere, seelische Berührung zu treten – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, je nach Tagesbewusstseinsverfassung. In Kommunion mit einem solchen höheren Bewusstseinsfeld kann man einen quellenden Kraftstrom spüren, der einen zu nähren vermag, der den inneren Hunger und Durst stillt und Frieden im Inneren einkehren lässt.

Dazu begibt man sich z.B. in eine angenehme Meditationshaltung, schließt die Augen, kehrt in Stille ein und nimmt an einer im Inneren erfahrbaren, reich gedeckten festlichen Tafel Platz, die als „seelische Tafelrunde“ bezeichnet werden kann. Vielleicht ahnt man an dieser Stelle auch und erkennt, dass neben der eigenen Tafelrunde noch unzählige andere Tafelrunden in diesem Weltenkosmos ihr Dasein haben, die allesamt unentwegt und zeitlos von einer zentralen „Weltenküche“ aus bekocht und versorgt werden.

Und wie es unseren menschlichen Bräuchen entspricht, geben wir diesen seelischen Tafelrunden, an denen wir uns laben dürfen, die unterschiedlichsten Bezeichnungen. So manches hohe Bewusstseinsfeld, so mancher hoher Geist und so manch ein Gott oder eine Göttin sind dadurch in den Genuss eines Namens und in den Genuss der religiösen Verehrung durch Menschen gekommen.

Entsprechend den kosmischen Ordnungen können solche im Inneren durch Meditation erfahrbaren Tafelrundenfeste recht üppig ausfallen, und nicht selten werden zum Nachtisch noch Nektar und Ambrosia gereicht. Vom süßen Saft innerer Seelenschau beflügelt, eilt die Stimmung unbeirrt ihrem Höhepunkt entgegen: Heitere, liebevolle Ausgelassenheit, weisheitstiefe Visionen, beschwingte Tänze zu kosmischen Klängen, die nicht selten in ekstatische Seelenbewegungen münden, vereint mit Ehre und Dank dem freundlichen, hohen Gastgeber gegenüber, krönen die heilige Seelenzeremonie. Hier empfängt der Suchende gemäß dem Mythos seine Ritterweihe und wird zum Gralshüter. Durch solche oder ähnliche Erfahrungen genährt und initiiert, vermag ein Ritter der Tafelrunde sein heiliges „Seelenschwert der Kraft“ in Liebe, Licht und Weisheit durch die Welten zu führen.

Jene aber, die die Tafelrunden nur vom programmierten Hörensagen kennen, denen Herz, Mut und Stärke fehlen, selbst zu erfahren, selbst zu schauen, selbst zu denken und selbst zu empfinden, in jenen kann das Ritterkleid rasch zur grausigen Maskierung werden – zur überstülpten Uniform – und das Schwert der Kraft aus Schwäche zur vernichtenden Waffe. Werden sie angegriffen, so müssen sie ihr künstlich aufgepfropftes Gewand, das zur Tarnung der eigenen ungeborenen und ungelebten Gestalt getragen wird, mit allen Mitteln verteidigen.

Wird hingegen ein wahrer Ritter der Tafelrunde verspottet, verhöhnt oder gedemütigt, so weist er auf sein Schwert und lächelt. Will man ihn verhungern und verdursten lassen, so weist er auf sein Schwert und lächelt. Will man ihn einsperren, so weist er auf sein Schwert und lächelt.

Und selbst wenn ihm ein Narrenfreier begegnet, der ihm, um der Narretei willen, durch Geste, Bild und Wort seine liebgewordene Welt zum Einsturz bringt, so weist er dankend auf sein Seelenschwert und lächelt. Denn er weiß, dass es gut ist, hin und wieder die Tafelrunde zu wechseln.

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