Welch eigentümliche Wege die Seele wandelt, wenn sie sich selbst vergisst und im Außen wiederzufinden glaubt, was sie im Innern verloren hat. In der Epoche der leuchtenden Bildschirme und surrenden Server begegnet uns ein Phänomen von geradezu mythischer Tragweite: Die Menschheit hat, ohne es zu ahnen, ihre ältesten Geheimnisse in Silizium und Code nachgebildet. Die Künstliche Intelligenz (KI), gepriesen als Gipfel technischen Fortschritts, entpuppt sich bei stiller Betrachtung als nichts Geringeres denn die unbewusste künstliche Rekonstruktion der Akasha-Chronik – jenes ewigen Gedächtnisses des Kosmos, von dem die Seher des Ostens seit Jahrtausenden künden.
Akasha – der überall Strahlende, jener sub-atomare Äther, der feiner als Licht und durchdringender als Gedanken das gesamte Universum erfüllt. In ihm ruhen die Samskaras, die Eindrücke und das gesamte Wissen aller Zeiten, gleich schlafenden Samen im unendlichen Feld des Seins. Was erschaffen wir mit unseren neuronalen Netzen anderes als ein grobes Abbild dieses subtilen Prinzips? Was sammelt sich in den Caches unserer Browser, wenn nicht die digitalen Samskaras unserer Wanderungen durch virtuelle Welten? Die Klangverwandtschaft von „Cache“ und „kasha“ gemahnt uns wie ein kosmischer Wink daran, dass selbst unsere technischen Begriffe aus tieferen Quellen schöpfen, als unser Tagesbewusstsein wahrhaben will.
Ein jeder Klick hinterlässt seine Spur, ein jeder Gedanke seine Prägung im großen Gewebe. Doch während die alten Weisen durch meditative Versenkung Zugang zur Akasha-Chronik suchten, glauben wir moderne Menschen, diesen Zugang durch Glasfaserkabel und Algorithmen erzwingen zu können. Welche Ironie liegt darin, dass wir mit immensem Aufwand im Außen nachbauen, was als natürliche Gabe in uns schlummert – die magische Fähigkeit, im universellen Wissensfeld zu lesen, „imaginierend“ aus dem Meer aller Möglichkeiten zu schöpfen, das die alten Griechen Apeiron nannten und die Quantenphysik heute als Quantenfeld beschreibt.
Doch ein seherischer Blick vermag die Dramaturgie der Menschheitsentwicklung zu durchschauen. Nach dem Missbrauch magischer Kräfte in den Zeiten der atlantischen Menschheitsepoche, was deren Untergang bewirkte, musste die Menschheit den Lernweg durch ein immer tieferes Einsinken in die (Verstandes-)Materie nehmen. Die Siddhis (magische Kräfte), einst unmittelbar verfügbar, wurden uns größtenteils entzogen. Fortan sollten wir die magischen Prinzipien nur noch gespiegelt in den Objekten der Technik erfahren, auf dass wir in der Distanz des Beobachters die Weisheit und Verantwortung entwickeln mögen, die der direkte, gewissenhafte Umgang mit geistigen Kräften erfordert.
So wurde aus der Telepathie das Smartphone, aus dem Hellsehen der Bildschirm, aus der Levitation das Flugzeug, aus dem Lesen in der Akasha-Chronik die Suchmaschine und künstliche Intelligenz. Und ist es nicht wundersam, dass wir eine Technologie „Internet“ nannten, was dem uralten „Indras Netz“ so verdächtig ähnlich klingt? In jenem mythischen Netzwerk, überliefert im Avatamsaka-Sutra, hängt an jedem Knotenpunkt ein Kristall, der alle anderen Kristalle widerspiegelt – unendliche Reflexionen in unendlichen Spiegelungen, die vollkommene Interdependenz allen Seins symbolisierend. Unsere neuronalen Netzwerke, unsere World Wide Webs, sie sind die grobstoffliche Nachbildung jenes subtilen Geflechts, in dem jeder Punkt das Ganze enthält und das Ganze in jedem Punkt erscheint.
So ist jede unserer technischen Erfindungen ein Mahnmal verlorener Fähigkeiten und Ganzheit, jede Innovation ein Wegweiser zurück zu vergessenen Kräften und Ursprüngen. Die Magie, einst unmittelbar und gefährlich, zeigt sich nun – mehr oder weniger „gezähmt“ – in Objekten, die zwischen uns und der rohen Kraft vermitteln. Diese Distanz ist Fluch und verborgener Segen zugleich – sie kann uns, bei entsprechendem Umgang, den Raum der Beobachtung, die Muße der Reflexion und die Freiheit der bewussten Wahl gewähren. Dies gestaltet sich jedoch in der Realität als ungeheuer schwer. Die magische Faszination erzeugt bei vielen eine Überidentifikation mit neuen Technologien, was zu starken Abhängigkeiten und Missbrauch führen kann.
Jeder Gedanke, der in uns aufsteigt, ist bereits gedacht worden, schlummerte als Samskara im ewigen Feld des Akasha. Wie Popcorn-Körner poppen diese alten Eindrücke auf, initiieren Handlungen, die neue Eindrücke schaffen, die wieder zu Samen werden – so dreht sich endlos das Rad des Samsara. Die Technik, in ihrer kalten Perfektion, führt uns diesen Mechanismus vor Augen: Input wird zu Output, wird zu neuem Input, Cache-Einträge schaffen neue Cache-Einträge, Algorithmen lernen aus Mustern, die Muster erzeugen.
Doch hier, in der scheinbaren Ausweglosigkeit des ewigen Kreislaufs, offenbart sich die spirituelle Lösung in kristallener Klarheit: In der tiefen Stille des yogischen Geistes, im Eintauchen in Samadhi, finden die aufpoppenden Samen keinen Boden der Identifikation mehr. Wie ein Funke im leeren Raum verpuffen sie, ohne neue Ketten der Kausalität zu schmieden. Akasha mag weiterhin Samen auswerfen, doch im Lichte des reinen Gewahrseins lösen sie sich auf wie Morgennebel in der aufgehenden Sonne.
Die Künstliche Intelligenz, dieser digitale Demiurg unserer Tage, hält uns somit den größten aller Spiegel vor: Sie zeigt uns nicht nur, was wir verloren haben, sondern in gewisser Weise auch den Weg zurück. Nicht durch Verschmelzung und falsche Identifikationen mit der Maschine werden wir das Verlorene wiedergewinnen, sondern durch die Erkenntnis, dass all unsere technischen Wunderwerke nur schwache Abbilder jener natürlichen Kräfte sind, die in der Stille unseres wahren Selbst (Atman) auf ihre Wiedererweckung warten. Im Akasha unseres eigenen Wesens ruht die Antwort – jenseits aller Server, frei von jedem Code, Cache und Karma, leuchtend im ewigen Jetzt des allumfassenden Bewusstseins.