Es ist nun zwölf Jahre her, dass ich durch Zufall den Schatz der Nibelungen entdeckte. Ich hatte in jener Zeit nicht bewusst nach diesem Schatz gesucht, der, so die mythologische Überlieferung, vor langer Zeit im Rhein versenkt wurde und als legendäres „Rheingold“ in die deutsche Geschichte einging. Was sich mir offenbarte, war überwältigend. Im Erleben des unermesslichen Fülle-Reichtums des Nibelungenschatzes wurde mir schlagartig klar, dass ich mir nie wieder Sorgen zu machen bräuchte – weder materiell noch spirituell.
Die Offenbarung des Nibelungenschatzes spielte sich auf der geistig-seelischen Ebene ab. Ich hatte in tiefer Meditation den für einen Nibelungen typischen Nebelschleier zerrissen, indem ich ihn mit meiner Lunge so lange veratmete, bis ich ihn transzendierend verstoffwechseln konnte. Diese befreite Lunge vermochte den luftigen, lichtvollen Atemstrom der Freiheit zu atmen und damit die mayischen Nebelschleier zu lüften, die den reinen Lichtstrom des metaphysischen Rheins verhüllen. Dieser fließt als Sushumna-Nadi in der feinstofflichen Wirbelsäule und führt zum Schatz des Rheingolds im Nibelungenhort des spirituellen Herzens von Anahata-Chakra, das von dem Zwerg Alberich, dem „Herrscher der Elfen“ und „Hüter der Weisheit des Herzens“, bewacht wird.
In der Nibelungensage ist es Siegfried, der sich den Schatz erschließt. Zuvor muss er mit dem Drachen kämpfen, also die aus dem Kundalini-Yoga bekannte Schlangenkraft erwecken und transformieren. Diese steigt als gewaltige psycho-spirituelle Energie im „rheinen“ Strom der Sushumna auf, um die göttliche Ur-Natur des Menschen auszuformen. Siegfrieds Bad im Drachenblut entspricht dem Aufsteigen und der Integration der Kundalini-Energie – die rohe Drachenkraft wird nicht einfach besiegt, sondern transformiert. Dieses Drachenblutbad lässt Siegfried, bis auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern, unverwundbar werden.
So vorbereitet, kann Siegfried dem Schatzhüter Alberich begegnen, ihm seinen Tarnhelm entreißen und ihn aus der Unsichtbarkeit des Unbewussten in die Wahrnehmung eines höheren Bewusstseinszustands erheben. Durch diesen Akt der Verwirklichung enthüllt das archetypische Siegfried-Prinzip den spirituellen Nibelungenschatz im innersten Herzen des Menschen, welcher die Quelle göttlicher Weisheit ist.
Die Nibelungensage kann als spiritueller Weg gesehen werden, der dem tantrischen Kundalini-Yoga ähnelt. Dass dieser Mythos gerade in der deutschen Kultur überliefert ist, hat eine Schlüsselbedeutung für das Schicksal der Menschen hier. Die spirituelle Erforschung seiner Bedeutung und deren Verwirklichung brachte einst eine Kultur von „Dichtern und Denkern“ hervor, die ihre Inspirationen direkt aus der spirituellen Sphäre bezogen. Die großen Dichter und Denker wie Goethe, Schiller, Novalis oder Hölderlin, die tiefen Mystiker wie Meister Eckhart, Jakob Böhme, Hildegard von Bingen und später Rudolf Steiner, aber auch Philosophen wie Kant, Schopenhauer, Nietzsche, Schelling und Hegel hätten ihre Werke nicht ohne die spirituelle Fähigkeit zum geistigen Schauen und die daraus resultierende intellektuelle Klarheit schöpfen können, was sie freilich nicht unfehlbar machte.
Die historische Entwicklung nahm jedoch eine andere Richtung: Mit der verstärkten Industrialisierung, dem wissenschaftlichen Materialismus und der preußischen Zucht des Verstandesgehorsams seit der Reichsgründung 1871 verlagerte sich die Entwicklung zunehmend ins Materielle. Geistige Impulse wurden nicht in die Weisheit des Herzens integriert, sondern teilweise pervertiert – in Form eines verzerrten Nationalismus, der mythologische Motive missbrauchte. Die Verdrängung des spirituellen Potenzials führte zu einem grundlegenden Missbrauch der Kräfte, die sich dann in zerstörerischer Weise in der deutschen Geschichte entluden. Der Nibelungenschatz wurde nicht gehoben, sondern noch tiefer in das kollektive Unbewusste versenkt, wartet aber darauf, in zeitgemäßer Form in ein erweitertes Bewusstsein erhoben zu werden – als Beitrag zu einer universellen spirituellen Entwicklung.
Deutschland befindet sich noch immer in einem Zustand spiritueller Verwirrung. Anstatt das „Rheingold“ im Inneren des Herzens zu bergen, wird wieder verstärkt in „Rheinmetall“ investiert. Der Rüstungskonzern ist derzeit Zugpferd der angeschlagenen deutschen Wirtschaft und Politik, die martialisch auf „Kriegstüchtigkeit“ setzt. In einer Wiederholungsschleife wird erneut das metallische „materielle Gold“ angebetet und das „spirituelle Gold“ unter Nebelschleiern liegengelassen.
In der Nibelungensage wird das nahezu unverwundbare Siegfried-Prinzip an seiner einzigen verwundbaren Stelle am Herzen von einem Speer durchbohrt. Der Mörder ist Hagen von Tronje, als das aus dem Gleichgewicht geratene und sich in alles „ein-hakende“ Verstandesprinzip, das nach dem verwundbaren – weil zur Liebe fähigen – Herzen zielt. Nach dem verräterischen Mord bemächtigt er sich des Nibelungenschatzes, um ihn in den Fluten des Rheins zu versenken, da ihm als Verstand der wirkliche Zugang verwehrt bleibt.
Der wahre Dharma der Deutschen besteht aus einem alchemistischen Prozess der Transmutation des Bewusstseins – vom Metallischen zum Goldenen, Geistigen, von materiellen äußeren Machtprojektionen zu innerer, lichtvoller Transformation des Bewusstseins. So entstehen wahre „Dichter und Denker“, die aus der Weisheit des Herzens schöpfen und ihre Gedanken so gründlich zu Ende denken, bis wieder Stille einkehrt. Nur so kann wahrem Frieden zum Sieg verholfen werden.