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Wie kommt der Yoga zum Menschen? Meist sind es Erfahrungen von Leiden, Angst und Schmerz, die Geist und Körper in Aufruhr, in Anspannung versetzen und als brennende Fessel empfunden werden. Aus dem Tiefengrund der Seele ertönt der Wunschklang nach Befreiung von all diesem Joch, das den Menschen für gewöhnlich gefangen hält und ihn absondert von seinem wirklichen Wesen. In der Not ruft der Mensch nach dem Notwendigen. Dies ist der heilige Sinn der Not. Lediglich ein wenig Stille ist notwendig, um dem Wunschklang zu lauschen, und seine Wirkung sich entfalten zu lassen. Der Mensch wäre nicht dieses besondere Wesen, wenn er vom Weltengöttlichen nicht einen heilenden Schlüssel in Empfang nehmen dürfte. Einer dieser Schlüssel trägt den Namen Yoga.

Das altindische Wort Yoga ist im indogermanischen Wort „Joch“ sinn- und lautmalerisch vererbt. Wie alle heiligen Schlüssel, die unsichtbare Pforten und Tore öffnen, die zum großen Geheimnis führen, ist das Empfangen und Tragen eines solchen Schlüssels eine große Aufgabe und Bürde zugleich. Jeder Schlüssel trägt bereits den gesamten Weg in sich, der nach dem Aufschließen der Pforte offenbart werden soll. Und so ist es das Wesen des Yoga, dass der Mensch sich aus seinem Joch, seiner Fessel befreit, und sich seiner Unterjochungen bewusst wird und entledigt, die Riemen und Ketten wesensfremder Anbindungen löst, sich den damit gebundenen Schmerzen und Ängsten stellt und letztlich die Verbindung, die Anjochung, zu seinem wahren, himmlischen Wesen wieder knüpft. So wird der yogische Mensch zum Alchemisten. Der löst und bindet und durch die Bindung wieder löst.

„Jeder Schlüssel trägt bereits den gesamten Weg in sich, der nach dem Aufschließen der Pforte offenbart werden soll.“

Der yogische Alchemist ist ein uraltes Wesen – weit älter als die altvedische Kultur Indiens. Er ist Teil des Urmenschenwesens. Seine Seelenerfahrung ist uns bereits überliefert im alten Ägypten. Dort scheint sie in einer uralten Symbolgestalt auf – dem Ankh, auch ägyptisches Kreuz oder Henkelkreuz genannt. Der Mythos erzählt uns, dass das Ankh bereits lange vor der ägyptischen Zeit existierte, noch aus den atlantischen Epochen herrührt, vor der großen Flut.

Ankh und Yoga entstammen derselben Erfahrungsquelle. Wo Yoga die Verbindung zur weltengöttlichen Quelle knüpft, „ver-ank-ert“ das Ankh das Menschenwesen im göttlichen Urgrund, gibt durch sein „Anker-TAU“ Halt und Stabilität, wenn die Gezeiten des Lebens stürmisch sind.

Lautmalerisch muss, wer die Erfahrung des „Seelen-Ankerns“ erlangen möchte, zunächst durch die Klangschwingung des „Ang“ hindurch. Diese ist die Wurzelschwingung von „Angst“ und „Enge“.

Will der Mensch also sein wahres, befreites Wesen im weltengöttlichen Wesen finden und verankern, muss er sich seinen Ängsten, ja: seiner Ur-Angst stellen. Die Ur-Angst des in die Materie gesunkenen, des geistverlorenen Menschen ist das Sterben und der Tod. Yoga und Ankh durchdringen diesen dunklen, täuschend echten Schleier, indem sie dem Menschenwesen seine wahre, leuchtende Seelenflamme des „Ich bin“ zurückgeben. „Ich bin“ bedeutet im Aramäischen – der Sprache des Christus – „ank“.

Und so offenbart sich im Ankh, einem der Ursymbole des Yoga, das göttliche Menschenwesen. Das Haupt zur leuchtenden Flamme gebildet. Das Herz offen, die Arme weit auseinander gebreitet zum liebenden Willkommensgruße, stehend auf einem Bein: Das Menschenwesen hat nun den Schleier des „Zwei“, der Zwitracht, der Dualität überwunden.

In der Gestalt des Ankh leuchtet in Vollkommenheit die Kraft des Weiblichen und des Männlichen. Es ist die Kraft und die Weisheit von Gatte und Gattin, von Gotte und Göttin in ihrer heiligen Vermählung. Und diese Kraft spricht: Ich bin hier in meinem Körper, ich bin verankert im großen Geist, und ich bin, der ich bin.

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